Herr Prof. Reuter, Sie blicken auf eine bemerkenswerte Karriere zurück. Vielleicht können Sie uns zunächst einen Einblick in Ihren beruflichen Werdegang geben.
Markus Reuter: Ich bin seit 37 Jahren in der Kupfer- und Nichteisenmetallindustrie tätig und habe sowohl als Wissenschaftler als auch in der Industrie immer versucht, sie leidenschaftlich zu vertreten. Ich war Professor an der TU Delft in den Niederlanden, an der University of Melbourne, der Changsha University in China und bin es derzeit an der Curtin Uni in Perth in Australien und zuletzt auch an der TU Bergakademie in Freiberg. Unter anderem habe ich als federführender Autor des UNEP (United Nations Environment Programme)-Berichts \"Metal Recycling: Opportunities, Limits, Infrastructure\" gewirkt. Ebenso habe ich in der metallurgischen Industrie gearbeitet, z. B. für AngloAmerican und Mintek oder für Anlagenbauer etwa als CTO bei Ausmelt in Australien und in Finnland.
Inzwischen sind Sie bei der SMS group, einem führenden Anlagenbauer und Technologiepartner der gesamten Metallindustrie. Was war der Grund für Ihre Entscheidung?
Markus Reuter: Die SMS group kann eine zentrale Rolle beim Umbau aller Metallindustrien hin zu einer Kreislaufwirtschaft spielen, insbesondere deshalb, weil unser Fokus auf Stahl, Aluminium und Kupfer liegt. Wir liefern die Technologie für die Produktion und das Recycling aller wichtigen Metalle und haben daher einen erheblichen Einfluss auf die Verbesserung der Ressourceneffizienz. Die Verbindung von tiefgreifendem metallurgischem Know-how, unseren Fähigkeiten im Engineering sowie digitaler Expertise und Beratung macht uns zu einem wichtigen Enabler für die Kreislaufwirtschaft. Wir konstruieren die Anlagen, können ihre Auswirkungen quantifizieren und so nachhaltigere Lieferketten ermöglichen, die alle Prozessstufen und Metalle sowie ihre Legierungen einschließen.
Sie haben jetzt schon den Begriff der Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) eingeführt. Welche Rolle spielen die Metalle in diesem Konzept?
Markus Reuter: Metalle eignen sich perfekt für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, da wir mit Elementen arbeiten und daraus entweder wieder eine Legierung oder ein reines Metall herstellen. Sie sind extrem langlebig und können unendlich oft recycelt werden, ohne dass ihre Qualität oder Eigenschaften beeinträchtigt werden.
Die Realität ist jedoch viel komplexer und das Metallrad zeigt die Verbindungen zwischen den Elementen. Die Hauptaussage ist, dass Sie eine Metallindustrie brauchen, damit sich die Räder der Gesellschaft drehen können. Der dunkelblaue Ring in der Mitte des Metallrades spiegelt die eng verbundene Symbiose zwischen den Hauptmetallen wider, die die Kreislaufwirtschaft ermöglicht. Sie sind sozusagen das Kugellager der modernen Gesellschaft. Im nächsten Ring befinden sich die Elemente, die sich im Basismetall auflösen und hauptsächlich durch pyrometallurgische und Schmelzprozesse, aber auch hydrometallurgisch zurückgewonnen werden können. Elemente, die als Oxide, Sulfate, Chloride usw. in Staub oder Schlamm gesammelt werden, befinden sich im dritten Ring. Sie können hauptsächlich mit hydrometallurgischen Prozessen als hochreine Metalle und anorganische Metallverbindungen wiedergewonnen werden. Die Elemente im äußeren Ring gehen im Wesentlichen in niedrigwertigem Baumaterial auf oder sind der unvermeidliche dissipative Verlust (z. B. ausgedrückt in Exergie). Die Metalle, für die das Basismetall dieses Segments als Trägermetall fungieren können, sind mit grünen Kreisen gekennzeichnet und sind mit der Legierung oder Chemie der Sektoren kompatibel. Die gelben Kreise spiegeln hauptsächlich die Elemente wider, bei denen sich die Rückgewinnung lohnt, wenn sie beispielsweise als Legierungselemente in Stahl oder Aluminium enthalten sind. Das ist natürlich nur möglich, wenn der Schrott gut sortiert und gemanagt wird, etwa durch digitale Systeme aus unserem Portfolio.
Das Metallrad impliziert, dass kein Teil für sich alleine existieren kann.
Das Metallrad impliziert, dass kein Teil für sich alleine existieren kann. Wenn Sie kupferbasierte Materialien und zugehörige Elemente innerhalb von Verbindungen und Produkten recyceln möchten, müssen diese offensichtlich parallel zu den anderen Industrien existieren, wie z. B für Zink, Blei, Zinn, aber auch Stahl, Aluminium oder Magnesium. Wir haben es mit vielen Elementen zu tun und der Einfallsreichtum des Metallurgen liegt darin, sie mit der richtigen Technologie effizient in die richtigen Ströme zu bringen.
Das Metallrad zeigt mit dem dunkelblauen Ring die enge Symbiose zwischen den Hauptmetallen, die die CE ermöglicht. Die Metalle, für die das Grundmetall dieses Segments als Trägermetall wirken kann, werden mit grünen Kreisen angezeigt. Die gelben Kreise sind z. B. Elemente, die als Legierungselemente hauptsächlich aus Stahl und Aluminium gewonnen werden.
Deshalb ist Circular Economy für die Politik so wichtig!
Markus Reuter: Der geschlossene Kreislauf der Circular Economy ist ein bequemes Bild. Es vermittelt den Eindruck, dass alles, was in den Kreislauf hineingeht, auch wieder aus ihm herauskommt, und zwar so, dass es letztlich ohne Energieeinsatz wiederverwertet werden kann. Die unbequeme Wahrheit ist, dass das Schließen des Kreislaufs unmöglich ist, da natürlich der zweite thermodynamische Hauptsatz gilt. Zu einer ehrlichen Diskussion gehört es daher, transparent über Verluste im Prozess in Form von zum Beispiel Energie, Exergie oder dissipativen Verlusten zu sprechen. Diese sind, wenn sie gut quantifiziert sind, der Maßstab für die technologischen und wirtschaftlichen Grenzen der Circular Economy.
Der geschlossene Kreislauf der Circular Economy ist ein bequemes Bild.
Nichtsdestotrotz ist es unser Bestreben, Technologieführer für metallurgische Anlagen zu sein, die die Recyclingraten an ihre thermodynamischen und technologischen Grenzen bringt, indem wir u.a. den Massen- und Energietransfer zwischen der Schmelz-, Flüssig- und Gasphase in unseren Technologien maximieren. Am Ende sind hier die Kreislaufgrenzen auf technologischer Ebene zu finden. Von gleicher und noch größerer Bedeutung ist es, den Transfer an der Schnittstelle zwischen den verschiedenen Stakeholdern der Kreislaufwirtschaft zu erhöhen, das heißt, die Kommunikation und Interaktion mit der Politik und der Gesellschaft insgesamt.
Wie schaffen wir es, den Kreislauf besser zu schließen?
Markus Reuter: Die Produkte, mit denen wir es zu tun haben, sind äußerst komplex und bestehen aus vielen Elementen, Materialien und Mineralien, die miteinander verbunden sind, um die Funktionalität des Produkts zu erzeugen. Man benötigt viel Einfallsreichtum und Wissen, um sie tatsächlich auf wirtschaftliche Weise zurückzugewinnen und wieder als werthaltige Materialien in moderne Produkte zurückzubringen. Nehmen Sie Ihr Smartphone: Es verbindet auf engstem Raum viele Hundert Metalle, Legierungen, Werkstoffe, Kunststoffe und Glas zu einem Funktionsmix.
Wir versuchen die Metalle wieder in den Reinheitsgrad zu bringen, der für die Herstellung neuer Hightech-Produkte erforderlich ist.
Es braucht nicht viel Vorstellungsvermögen, um zu erkennen, wie komplex es ist, diese Komponenten physikalisch und chemisch zu separieren und die Metalle schließlich zurückzugewinnen und wieder für neue Produkte einsetzbar zu machen. Recycling bedeutet also zu verstehen, wie diese Elemente vorgegeben vom Periodensystem chemisch miteinander interagieren und wie man dieses Wissen in wirtschaftlich sinnvolle Technologie und Fließschemata übersetzt. Diese mit digitalen Plattformen oder digitalen Zwillingen zu verwalten ist die Zukunft, um die Verluste aus dem System und vor allem die Exergie-Dissipation zu visualisieren und zu verstehen.
Wenn wir über Circular Economy sprechen, versuchen wir immer, die Metalle wieder in den Reinheitsgrad zu bringen, der für die Herstellung neuer Hightech-Produkte erforderlich ist. Das ist für mich die wahre Definition von Circularity in der Kreislaufwirtschaft und das ist eine schwierige Aufgabe. SMS hat die Kompetenz und die Vision, dies zu ermöglichen.